CHESAPEAKE BAY RETRIEVER

Der Chesapeake Bay Retriever ist im Vergleich zum Golden oder Labrador Retriever in Deutschland nicht so häufig zu sehen. Er unterscheidet sich aber nicht nur äußerlich stark von den anderen Retriever-Rassen.

Der Chesapeake Bay Retriever ist der raueste Geselle unter den Retrievern. Beinahe 200 Jahre alt ist diese Retrieverrasse. Der Ursprung wird allgemein auf den Einfluss zweier alles überragender Arbeitshunde zurückgeführt, welche im Jahre 1807 als Welpen von einer schiffbrüchigen englischen Handelsbrigg gerettet werden konnten: eine schwarze Hündin – später „Canton“ genannt und ein roter Rüde „Sailor“. Es waren dies nach damaliger Bezeichnung sogenannte „St. John’s Hunde“. Glaubwürdigen Berichten zufolge stammten „Canton“ und „Sailor“ aus den besten Arbeitslinien Neufundlands, waren nicht blutsverwandt und für einen englischen Reeder bestimmt. Diese Hunde gelangten in die Hände zweier Besitzer an der „Chesapeake Bay“, einer riesigen Meeresbucht südlich von Baltimore im US-Staat Maryland. Diese Gegend war reich an jeder Art von Wasserwild, nahezu unerschlossen, von Sümpfen umgeben mit einem Klima von großer Hitze bis zu arktischer Kälte. Professionelle Jäger, die mit kanonenartigen Gewehren oftmals nachts ihrem Handwerk nachgingen, waren auf unermüdliche Apportierhunde angewiesen. „Canton“ und „Sailor“ erwiesen sich unabhängig voneinander als bis dahin nicht gekannte unermüdliche Apportierer, die bis zur völligen Erschöpfung arbeiten konnten. Im Laufe der Jahre entwickelten sich aus den Gebrauchskreuzungen, die auf die beiden Rasseahnen zurückgingen, nach Paarungen mit Settern, Pointern, Flat Coats sowie Waterspaniels und unter einer äußerst scharfen, auf Arbeitsleistung ausgerichteten Selektion ein einheitlicher Typ von Hunden, die vorerst mit lokalem Namen und später als „Chesapeake Bay Retriever“ bezeichnet wurden.

Intelligenz, Härte, Mut, Ausdauer und Widerstandsfähigkeit blieben über 100 Jahre lang einziges Zuchtziel. Schwache, kränkelnde Hunde oder solche mit unzureichender Leistungsfähigkeit wurden rigoros ausgemerzt. Bis zum heutigen Tag gibt es beim „Chesapeake“ keine Trennung in Arbeits- und Showlinien. So legt auch der Rassestandard größten Wert auf alle Merkmale, die den „Chesapeake“ zu einem äußerst effizienten Arbeitshund machen. Hervorstechendstes Merkmal ist sein mit keiner anderen Rasse vergleichbares Fell, ein „Pelz“ aus dichter, wasserabweisender Unterwolle, gepaart mit kurzem, derben Deckhaar, das an Schultern, Hals , Rücken und Lenden gewellt ist, ohne sich jedoch zu kräuseln. Beste Isolation gegen Kälte, Nässe und Hitze! Die Farbe des „Chesapeake“ reicht von dunkelbraun bis strohfarben einschließlich aller Blond-, Beige-, Braun- und Rottöne. Weiße Flecken an Brust und Zehen sowie oberhalb der großen Pfotenballen sind erlaubt, schwarz ist zuchtausschließend. Der „Chesapeake“ ist eine ausgesprochene Persönlichkeit, sehr selbständig und bedarf nach einer soliden und konsequenten Ausbildung bei der Arbeit nur noch geringer Unterstützung durch seinen Führer. Er kann auch dort noch eingesetzt werden, wo andere Retriever kräftemäßig scheitern würden. Er ist aber nicht nur ein ausgezeichneter Jagdhund, sondern auch ein hervorragender Wachhund, der seinen Herrn, dessen Familie und Besitz zuverlässig bewacht und beschützt. Ebenso bewährt hat er sich als Lawinen- und Katastrophensuchhund, als Fährten- und Drogenspürhund. Als Blindenführhund konnte er sich wegen seines sehr ausgeprägten „Schutzverhaltens“ nicht durchsetzen.

Früher wurde der Chesapeake Bay Retriever, kurz „Chessie“, in den USA nicht nur als Apportierhund bei jedem Wetter eingesetzt, sondern er hatte auch das Haus und die Familie zu schützen. So lässt sich der starke Familienbezug, Schutztrieb und Mut dieser Rasse erklären. Seine Familie mit allen menschlichen und tierischen Mitgliedern geht ihm über alles. Oft fixiert sich der Chessie gerade bei der Ausbildung auf nur eine dieser Personen. Im Gegensatz zu den fremdenfreundlichen Labradors entscheidet der Chessie gerne selbst, zu welchen Menschen er Kontakt aufnehmen möchte. Wurde er nur einmal von einem Menschen unfair oder zu hart behandelt, wird er sich dies sein Leben lang merken. Der Chessie kann nachtragend sein. Der Chesapeake Bay Retriever hat eine großartige Beobachtungsgabe und einen eisernen Willen, wenn es darum geht, eine Aufgabe zu erfüllen. Bei seiner Ausbildung sind weder Drohungen noch harte Strafen angebracht; mit kleinen Tricks, einer Engelsgeduld und einer zehnfachen Portion Konsequenz kommt man viel weiter. Überhaupt spielt Konsequenz bei dieser Rasse eine große Rolle: aufgrund seiner Intelligenz wird der Chessie im Laufe seines Lebens immer wieder testen, ob der Hundebesitzer seiner Rolle noch gewachsen ist. Reagiert man immer gleich, wird sich der Hund damit zufrieden geben; wenn er jedoch in der kleinsten Situation Inkonsequenz feststellen muss, wird der Chessie nachhaken.

Schwimmen ist eine absolute Notwendigkeit für den Chesapeake Bay Retriever, im Wasser ist er in seinem Element. Es soll schon Chessies gegeben haben, die das Wasser auch nach Stunden nicht verlassen wollten. Der Schwimmstil ist einzigartig: schnell und kraftvoll gleitet der Chessie durchs Wasser, nur ein Teil des Kopfes ragt aus dem Wasser, die Rute wird als Ruder benützt. Neben dem Schwimmen ist das Apportieren die größte Leidenschaft. Bereits als Welpe trägt der Chessie alles was er findet durch die Gegend. Man sollte ihn nie dafür schimpfen, lieber tauscht man einen verbotenen Gegenstand gegen einen erlaubten aus und lobt den Hund dann ausgiebig für das Herumtragen.

Um glücklich zu sein, benötigt diese Rasse unbedingt mindestens eine Aufgabe, die ihn jeden Tag auslastet. Bei zuwenig Beschäftigung kann der Chessie eigensinnig und zerstörerisch werden; es kann auch passieren, dass er sich seine eigene Aufgabe sucht und diese dann mit aller Energie ausübt. Als Arbeit bietet sich natürlich die Apportierarbeit an, sei es nun jagdlich mit Wild oder mit Wildersatz – den Dummies. Hat der Chessie diese Arbeit erst einmal lieben gelernt, wird er seine ganze Kraft und Intelligenz dafür einsetzen. Auch als Rettungshund lässt sich diese Rasse dank ihrer sehr guten Nase ausbilden, für die Aufgabe als Blindenführhund eignet sie sich wegen ihres Schutztriebes weniger. Der Chesapeake Bay Retriever ist ein „Arbeitshund“, nichts macht ihn glücklicher, als mit seinem Besitzer Aufgaben zu bewältigen. Und die meisten Chessies sind längst nicht so verspielt wie die anderen Retriever-Rassen, viele Chessies ignorieren andere Hunde ganz.