DIE AUSSTELLUNG IN DER PRAXIS

Diese Zeilen spiegeln meine Eindrücke und Erfahrungen – vielleicht auch den einen oder anderen Kniff – wider, die ich im Laufe einiger Ausstellungsjahre gemacht habe. Hoffentlich kann ich Ihnen, obwohl in Schriftform, ein wenig von der Faszination vermitteln, die ich und viele andere auf Hundeausstellungen immer wieder aufs Neue empfinde.

Der Sinn und Zweck einer Ausstellung
Im Rahmen einer Ausstellung werden einem Formwert-Richter Retriever in Schönheits-Konkurrenz im Ausstellungsring vorgeführt. Durch das Richten werden die Hunde der Züchter unserer Rassen beurteilt. Es erfolgt durch die Formwert-Beurteilung auch eine mehr oder weniger starke Empfehlung zur Zucht. Daher ist die Teilnahme an Ausstellungen mit entsprechendem Erfolg auch in unserer Zuchtordnung zwingend vorgeschrieben. Ausstellungen haben daher nicht nur den Zweck einer Schönheitskonkurrenz, sie entscheiden auch zu einem gewissen Grad über die zukünftige Qualität unserer Retriever. Gerichtet wird nach den gültigen Rassestandards der FCI.

Die Präsentation – Ein Zusammenspiel von Retriever und Aussteller

Ziel ist es, unseren Retriever dem Richter optimal zu präsentieren, um eine möglichst gute Bewertung zu erhalten. Leider gibt es bekanntlich keinen absolut „fehlerfreien“ Hund. Richtig ist aber auch, dass ein geübter Handler über kleine Schwächen des Hundes Dank gekonnter Präsentation hinweg täuschen kann. Nur hingehen, den Retriever irgendwie hinstellen und warten was passiert, kann womöglich zu wenig sein ! Aus diesem Grund hat sich beginnend in Amerika und Großbritannien ein „Stand“ gebildet, der mehr oder weniger professionell Hunde vorführt. Man nennt das aus dem Englischen kommend „handeln“ bzw. die Ausführenden „Handler“. Viele glauben, dass in jedem Besitzer der beste Handler seines eigenen Hundes stecken kann. Man muss es eben einerseits wollen und andererseits an sich und seinem Gefährten arbeiten, d. h. genauso wie für eine andere Prüfung trainieren.

Die Aufgabenstellung dabei ist, unseren Retriever so vorteilhaft zu präsentieren, dass seine Vorzüge besonders zur Geltung kommen bzw. seine kleinen Schwächen möglichst wenig ins Auge fallen. Der Hund soll sich im Ring aufmerksam und freudig, eben retriever-rassetypisch zeigen. Durch sein Auftreten im Ring soll er ein positives Bild abgeben und ein sicheres Wesen erkennen lassen. Ideal ist es, wenn der Blick des Richters quasi auf den Hund gezogen wird. Damit will ich sagen, dass der beste Handler unsichtbar agiert, d.h. nur bei Bedarf korrigierend eingreift, um je nach Situation seinem Retriever die notwendige Unterstützung zu leisten. Sparsame, effiziente Bewegungen, möglichst wenig in Erscheinung tretend, um so die Aufmerksamkeit des Richters ungetrübt auf den Hund zu konzentrieren, der seine Ausstrahlung, Persönlichkeit und sein Selbstbewusstsein dadurch optimal zeigen bzw. entfalten kann.

Der Handler muss unauffällig aber richtig einwirken, um so das bestmögliche Ergebnis in der geringen zur Verfügung stehenden Zeit (ca. 3-5 Minuten) herauszuholen. Denn der Richter kann nur das beurteilen, was er sieht ! Vergessen Sie nicht, dass ein Hund, der im Ring ein weniger gutes Bild abgibt, weil es nicht zuletzt am Ringtraining mangelt, noch selten gewonnen hat. Nicht selten, weil er entweder falsch aufgestellt oder in der unpassenden Geschwindigkeit vorgeführt wurde. Ein Retriever, der aufgrund richtiger Präsentation ein rassetypisches Gesamtbild vermittelt, wird auch die entsprechende Beurteilung finden. Der Einfluss von gekonntem Handling ist hier nicht zu unterschätzen. Im übrigen meine ich auch, dass unsere Richter ein Recht darauf haben, unsere Retriever entsprechend vorgeführt zu bekommen. Beobachten Sie andere Handler im Ring, fragen Sie erfahrene Aussteller. Nehmen Sie die Gelegenheiten wahr, die unser Klub bietet. Gerne wird man Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Vergegenwärtigen Sie sich den Rassestandard. Dort finden Sie am besten die Beschreibung der einzelnen Körperteile, aber auch die Wesensmerkmale. Sie selbst sollten die Qualitäten Ihres Hundes am allerbesten kennen. Genau das versucht der Richter ja auch. Er vergleicht die Qualitäten der ausgestellten Hunde mit dem Standard und beurteilt sie dementsprechend im Verhältnis zueinander. Innerlich ausgeglichen, Ruhe und Sicherheit ausstrahlend, erleichtern Sie sich und Ihrem Hauptdarsteller diese gemeinsame Aufgabe. Haben Sie Vertrauen zu Ihrem Retriever und glauben Sie an seine Qualitäten! Gewinnen jedoch kann immer nur einer! Bei der nächsten Ausstellung sieht womöglich wieder alles ganz anders aus.

Besonders erfolgversprechend ist es natürlich, bereits mit dem jungen Retriever zu üben. Erfahrene Aussteller werden dies in Eigenregie können. Neulinge finden in den Züchtern erste Ansprechpartner. Das Training soll eher ein Spiel sein, besser kurz aber öfters üben! Wenn Sie und Ihr Hund erst einmal richtige Ausstellungsprofis sind, werden Sie merken, dass gelegentliche Auffrischung völlig ausreicht. Sparen Sie nicht mit Lob und Belohnung. Lassen Sie es nicht an Aufmunterung fehlen. Üben Sie OHNE Druck. Ringtraining (nicht Ringdressur) ist KEINE Unterordnungsübung. Zeigen Sie dem Hund liebevoll mit Ruhe und Konsequenz, was er tun und was er lassen soll.

Die Anforderungen ergeben sich durch den Ablauf im Ring eigentlich von selbst:
– Ihr Retriever soll über längere Zeit ruhig & aufmerksam stehen, wie Sie ihn „aufgebaut“ haben.
– Ihr Retriever soll im Ring an lockerer Leine freudig neben Ihnen traben. Dies in der von Ihnen vorgegebenen Geschwindigkeit. Verwechseln Sie das bitte nicht mit der Leinenführigkeit aus der Unterordnung.
– Ihr Retriever soll sich am ganzen Körper von fremden Menschen (Richtern) angreifen lassen (z.B. zur Zahn-, Anatomie- & Hodenkontrolle).
– Ihr Retriever soll sich Mitbewerbern gegenüber rassetypisch freundlich verhalten und darf nicht aggressiv oder undiszipliniert sein.

Dies ist sicherlich die schwierigste Übung, wenn nicht schon im Jugendalter mit dem Training begonnen wird. Der Hund wird so „aufgebaut“, d.h. in Position gebracht, wie es im Ring gefordert wird. So sind die im Standard geforderten Qualitäten des Hundes besonders gut zu sehen. Im Welpenalter kann dies auch auf einem Tisch geschehen. Mit der einen Hand wird anfangs unter dem Kopf gehalten, die andere „richtet“ die Vorderläufe parallel. Ist dies geschehen, stellen Sie die Hinterläufe in die gewünschte Position. Fassen Sie dazu zuerst von hinten zwischen die Hinterläufe. Durch diese Griffe am Kopf bzw. zwischen den Hinterläufen stützen Sie den Stand. Bei Bedarf können Sie nun daran gehen, den Stand jedes einzelnen Laufes zu korrigieren. Gehen Sie dabei besonders ruhig vor, Hektik ist hier fehl am Platz. Auch wenn Sie jetzt glauben, dazu bräuchten Sie mehrere Hände, Sie werden bald merken, dass zwei Hände völlig ausreichend sind. Wenn sich Ihr Retriever erst einmal daran gewöhnt hat und gleich so verharrt, wie Sie es durch das Korrigieren für richtig halten, ist es keine Hexerei mehr. Steht Ihr Retriever nunmehr in der gewünschten Position, können Sie Kopf und Rute in der vom Standard gewünschten Position halten (eventuell Golden & Flat), oder aber loslassen (Labrador u.a.). Üben Sie zuerst mit Anleitung (Züchter, Ringtraining etc.) und unterstützen Sie Ihren Retriever auch verbal mit einem gleichbleibenden Kommando. Hilfreich zur Selbstdiagnose kann ein großer, bis zum Boden reichender Spiegel sein. Hier sehen Sie aus der Distanz, wie Sie Ihren Retriever zeigen.

Der nächste Schritt ist der freie Stand, d.h. der Hund bleibt in der gelernten Position frei stehen. Ihr Retriever kann dabei von Angesicht zu Angesicht vor Ihnen stehen. Mit der einen Hand halten Sie die Leine. Mit der anderen Hand versuchen Sie, die Aufmerksamkeit des Hundes zu gewinnen. Dazu eignen sich kleine, leicht zu zerkauende Leckerbissen (Käse, Leber, etc.). Ihr Retriever wird nach kürzester Zeit, selbst wenn sie nur an die Tasche mit den Leckerbissen greifen, aufmerksam vor Ihnen verharren. Sie haben gewonnen! Beachten Sie dabei, den Leckerbissen nicht zu hoch bzw. zu tief zu halten, um die richtige Haltung des Kopfes nicht zu verfälschen. Versuchen Sie nun auch ohne Leckerbissen auszukommen und dehnen Sie zuletzt die Dauer der Standübung sukzessive auf ein bis zwei Minuten aus.
Auf welche Art auch immer Sie Ihren Retriever präsentieren wollen, bleibt Ihnen überlassen. Nur vorteilhaft sollte es sein !

Gewöhnen Sie Ihren Retriever von Anfang an eine Ring- bzw. Vorführleine für Retriever. Das ist eine im Fachhandel erhältliche Kordel, die gleichzeitig Halsband und Leine ist. Üben Sie immer mit der Vorführleine, so verbindet Ihr Hund: Vorführleine = Ringtraining. Bringen Sie Ihren Hund nach und nach dazu, mit erhobenem Kopf links neben Ihnen freudig zu laufen. Achten Sie darauf, dass die Leine dazu vorteilhafterweise direkt hinter den Ohren am Hals sitzt. So können sich am schnellsten vorsichtig korrigieren. Unterstützen Sie Ihren Hund auch verbal! Der Retriever soll hier nicht zeigen, wie leinenführig er ist (= brav Fuß geht), sondern er soll sein raumgreifendes Gangwerk in der Bewegung präsentieren. Wählen Sie die richtige Geschwindigkeit, Sie werden dazu laufen müssen. Ein leichter Trab, kein Passgang ist hier gefordert. Dabei soll der Hund nicht ungestüm sein und Training erkennen lassen. Gezeigt werden soll ein freies, flüssiges Gangwerk!